BCL: Unicaja Malaga vs. Bonn

Unicaja Malaga ist Ausrichter des diesjährigen Final-Four-Turniers in der Basketball Champions League. Als einziger Mannschaft gelang den Gastgebern ein 2:0-Seriengewinn im Viertelfinale gegen ACB-Rivale UCAM Murcia. Das Team ist gespickt mit bekannten Gesichtern, spielt bisweilen schön anzusehenden Basketball und ist auch noch Halbfinalgegner der Telekom Baskets Bonn. Insofern lohnt sich ein Blick auf die Spielweise Malagas – aus der Perspektive Bonns.

Kader

Screenshot der Kaderübersicht auf ACB.com
Screenshot der Kaderübersicht auf ACB.com

Wie üblich für spanische Teams verfügt Malaga über sehr viel Tiefe im Kader und nutzt de facto eine 12er-Rotation, die kaum einen Qualitätsabfall bei Wechseln bedeutet. Allerdings kann die Spielweise je nach Formation auf dem Court durchaus variieren, denn die Spielertypen auf den verschiedenen Positionen unterscheiden sich.

Grundsätzlich ist die Spielanlage darauf ausgerichtet, dass ein Aufbauspieler den klassischen Ballverteiler mimt und als Pass-First-Guard seine Mitspieler in Szene setzt. Namentlich kümmern sich vor allem Kendrick Perry sowie Alberto Diaz häufig um die Spielorganisation.

Die anderen Außenspieler sind hingegen Scorer, die bei jedem Ballkontakt Gefahr für den gegnerischen Korb ausstrahlen. Dabei sind zwei Typen zu unterscheiden: Auf der einen Seite gehören Dario Brizuela und Tyler Kalinowski zu den besten Schützen der Champions League / ACB.

Um ihre Gefahr als Distanzschützen baut Malagas Offensivsystem auf, wie weiter unten noch detaillierter zu sehen sein wird. Neben Brizuela und Kalinowski sind Tyson Carter aber auch Nihad Djedovic und Jonathan Barreiro eher Slasher, die aus indirekten Blöcken gerne zum Korb curlen. Mit Djedovic und Barreiro – oder gar Melvin Ejim – auf der 3 kann Malaga auch Formationen aufstellen, bei denen der nominelle Small Forward ein guter Postupspieler ist.

Die Bigs haben meistens die Aufgabe gute Screens zu stellen und aus dem Platz, die ihnen ihre Schütze liefern, Kapital zu schlagen. Das kann je nach Spieler aber sehr unterschiedliche Dinge bedeuten, wie später zu sehen sein wird.

Guard-Play

Die erste Frage, die sich jeder Bonner Gegner stellen muss, lautet: Wie stoppen wir T.J. Shorts? Die Antwort auf diese Frage haben bisher die wenigsten Teams in dieser Saison gefunden.

Doch Strasbourg hat im Viertelfinale vielleicht den besten Job erledigt. Ihr großer Vorteil war, dass sie sehr gute und schnelle Guards hatten, die Shorts einigermaßen in Schach halten konnten, und darüberhinaus der Kader durchweg von viel Länge geprägt war. Dadurch hatte Shorts weniger Platz, um Lücken zu finden.

Malaga hat zumindest einen Guard, der als Verteidiger ebenfalls ein gutes Matchup für Shorts darstellt. Kendrick Perry kann sehr viel Druck auf den ballführenden Spieler ausüben und trotzdem vor ihm bleiben. Perry ist nicht nur schnell, sondern auch kräftig, wodurch er sich oft um Blöcke herumkämpft, in denen andere Verteidiger stecken bleiben würden.

Während Perry defensiv auf jeden Fall wichtig sein wird, hat er offensiv seine Schwächen. Gerade der Wurf hängt sehr von der Tagesform ab. In den 45 ACB- & Champions League- Spielen der bisherigen Saison liegt Perrys Dreierquote bei 32 Prozent (61/188).

Nach Switches tut sich Perry bisweilen sehr schwer und hat gegen einigermaßen mobile Bigs keinen einfachen Stand.

Das muss er aber auch nicht, denn für das Scoring sind andere Spieler verantwortlich. In erster Linie ist das Dario Brizuela. Der Shooting Guard ist Topscorer der Mannschaft (13,1 PPG) und einer der besten Dreierschützen des Wettbewerbs (48 Prozent in der BCL).

Auch aus dem Dribbling geht Brizuela ohne zu zögern hoch und ist ein solider Werfer. Ihn und seinen Wirkungsraum einzukreisen, ohne gleichzeitig die anderen Mitspieler zu offen stehen zu lassen, wird der Drahtseilakt sein, den Bonn defensiv im Halbfinale bewältigen muss.

Neben Brizuela gibt es mit Tyler Kalinowski noch einen weiteren Scharfschützen in Reihen Malagas. Seine Dreierquote (31 Prozent) in der BCL liest sich zwar nicht berauschend, doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein gefährlicher Dreierschütze ist, der zu den besten der ACB in dieser Disziplin gehört (42 Prozent bei 2,2 Treffern pro Spiel). Der einzige US-Amerikaner im Team, der nicht auch noch über einen europäischen Pass verfügt, ist immer in Bewegung und auf der Jagd nach dem offenen Wurf.

Gerade wenn beide gemeinsam auf dem Feld stehen, jagen sie auf jeweils einer Spielfeldhälfte um einen indirekten Block herum. Durch diese typische Spielweise für viele spanische Teams, sind alle fünf Verteidiger gleichzeitig in die Defense eingebunden. Dadurch entstehen schneller Fehler, Hilfen sind schwieriger zu geben und Unaufmerksamkeiten werden sofort bestraft.

Bigs

Die Schützen gehen dabei eine funktionierende Symbiose mit ihren Bigs ein. Denn die Bigs profitieren von der Dreier-Gefahr ihrer Guards, weswegen sie bereitwillig die vielen Blöcke stellen. Allzu oft müssen die eigenen Gegenspieler zumindest kurz bei der Blockverteidigung gegen den Schützen aushelfen, wodurch sich für die Bigs Freiräume und tiefe Postup-Situationen ergeben.

Einer, der dieses Spiel besonders perfektioniert hat, ist Will Thomas. Auch mit fast 40 Jahren ist Thomas offensiv nur sehr schwer zu stoppen, weil er sich immer wieder mit unorthodoxen Bewegungen zu seiner linken Hand winden und seine Turnaround-Jumper anbringen kann.

Während Thomas also durchaus das Wühlen in der Zone liebt und auch im Eins-gegen-Eins für sich kreieren kann, weisen die anderen Bigs sehr abweichende Stärken und Schwächen auf.

David Kravish liebt zum Beispiel das Spiel in der Mitteldistanz, von wo aus er seinen weichen Touch entweder als Sprungwurf oder aber in Form von Floatern anbringen kann. Malaga läuft extra ein Play, um ihm genau diese Würfe zu ermöglichen:

Mismatches

Wie so oft bei Spielen auf hohem europäischen Niveau wird es darum gehen, welches Team besser die Schwächen des Gegners offenlegen und ausnutzen kann. Das Bonner Team hat nur wenige Schwachpunkte, was vor allem daran liegt, dass Tuomas Iisalo es schafft, dass alle zehn Akteure immer zu einhundert Prozent fokussiert sind.

Doch bei allen Qualitäten Bonns bleibt ein offensichtliches Manko, dass ihr MVP defensiv aufgrund seiner geringen Körpergröße anfällig für Postups ist. Bonn ist dazu übergangen, Shorts meistens auf den schwächsten Außenspieler anzusetzen. Das hat gleich mehrere Vorteile.

Üblicherweise muss Shorts dadurch nicht den gegnerischen Aufbauspieler verteidigen, was ihm Kraft spart. Zudem ist er dadurch seltener in Pick & Rolls involviert, die im Zweifelsfall Switches erfordern. Die blockstellenden Bigs wissen in der Regel sehr gut, wie sie einen Guard nach einem Switch bestrafen müssen – das trainieren sie ständig.

Eher ungewöhnlich und selten ist es jedoch für viele Außenspieler, einen etwas kleineren Gegenspieler im Lowpost bestrafen zu müssen. Viele Wings fühlen sich hierbei sichtlich unwohl und wissen nicht so recht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Die einen werden zu ungestüm und rennen blind in die Hilfe hinein, die anderen werden zögerlich und verlagern sich auf Sprungwürfe, statt ihre physischen Vorteile auszunutzen.

Gegen Strasbourg konnte Shorts beispielsweise gut gegen Paul Lacombe oder Rodions Kurucs gestellt werden. Beide fühlten sich offensichtlich nicht wohl, Shorts im Eins-gegen-Eins vom Zonenrand aus zu attackieren.

Gegen Malaga sieht die Sache anders aus. Mit Jonathan Barreiro und Nihad Djedovic spielen meist zwei Spieler auf der 3, die das Postup lieben. Letztes Jahr attackierte Bayern mit Djedovic im Playoff-Halbfinale sehr gezielt PJC.

Bonn geht in den meisten Situationen dazu über, wenn Shorts gezielt attackiert wird, eine 2-3-Zone aufzustellen. Leon Kratzer oder Mike Kessens sinken dazu als direkte Hilfe unter den Korb ab und die anderen drei Verteidiger kümmern sich um Durchstecker, bumpen Cutter und sind bereit für Closeouts an der Dreierlinie.

Diese Idee wenden viele Teams in Europa an, weshalb auch Malaga dafür bereit sein dürfte. In diesem zweiten Beispiel fällt AEK Athen beispielsweise auch in eine 2-3-Zone, um das Mismatch gegen Barreiro zu entschärfen. Doch Barreiro lässt sich Zeit und Malaga stellt gutes Spacing auf, sodass sie trotzdem einen hochprozentigen Abschluss erhalten.

Dieses Schachspiel im Lowpost dürfte tatsächlich essenziell für den Ausgang des Spiels werden. Denn Malaga versteht es sehr gut, Switches zu forcieren und die dadurch entstehenden Mismatches zu bestrafen.

Wenn nicht ohnehin sofort ein Mismatch besteht oder die Mover-Screener-Offense mit den Schützen funktioniert, nutzen die Vertreter von der Costa del Sol gerne zwei sehr frühe, sehr hohe Pick & Rolls fast schon an der Mittellinie, die meistens in einem Switch resultieren.

Doch bei aller Qualität Malagas ist es nicht so, dass sie nicht auch Schwächen hätten, die Bonn attackieren könnte. Gerade auf der Position Vier sind alle Power Forwards Malagas anfällig in der Verteidigung. Will Thomas kann kein Pick & Roll verteidigen und auch Dylan Osetkowski neigt zu vermeidbaren Fouls.

Bonn wiederum involviert häufig den gegnerischen Vierer in ein frühes Side P&R in der eigenen Early Offense. Es wäre nicht überraschend, wenn Javontae Hawkins und Finn Delaney daher öfter mal gezielt in Pick & Pops oder Isolations involviert werden, um die Geschwindigkeitsvorteile auszunutzen.

Kaum ein Coach ist so clever darin, Vorteile seine Mannschaft zu erkennen und auszunutzen wie Tuomas Iisalo. Deswegen ist er auch verdient zum zweiten Mal in Folge zum Trainer des Jahres in der BBL gewählt worden. Sein von ihm selbst so bezeichnetes „Mentalitätsmonster“ hat er perfekt auf die entscheidende Saisonphase vorbereitet.

Während die meisten Teams, sich nun versuchen in den Playoffmodus und Endspielstimmung zu versetzen, spielen die Bonner schon seit dem allerersten Spieltag mit genau dieser Attitüde. Der Sieg der Champions-League ist für Iisalo und am kommenden Woche mehr als nur möglich.

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