Die FAU Owls stechen aus den 363 Teams der NCAA DI hervor. Nur Titelanwärter Houston hat bisher in dieser Saison seltener verloren und erstmals in der Uni-Geschichte wurde das Team national unter die Top25 gerankt. Aber am wichtigsten: Entgegen dem Trend in der NCAA spielte der Kern des Teams schon letzte Saison zusammen.
Die Fakten
- Bilanz: 24-3 (Niederlagen: @ OleMiss (SEC), @ UAB (Conference-Favorit), @ Middle Tennessee State)
- Erstmals im AP Poll unter den Top25 Mannschaften eingestuft (bis Platz 21)
- Erst eine einzige Teilnahme am NCAA Tournament (2002)
- Fünfte Saison unter Trainer Dusty May – jede Saison eine positive Bilanz
- Campus in Boca Raton, Heimhalle knapp 2km vom Strand entfernt
Der Kader

Bei einem Blick auf die Kaderliste sticht die Grundvoraussetzung für den Erfolg der Owls hervor. Bei vergleichsweise wenigen Spielern ist in der Spalte „previous team“ ein Eintrag zu finden. Das ist in den vergangenen Jahren aufgrund verschiedener Ursachen eine Rarität in der NCAA geworden. Gerade für kleinere Programme ist Kontinuität jedoch essenziell. Denn möchten diese Teams den großen Favoriten die Stirn bieten müssen meist Nachteile in puncto Physis und Talentlevel durch andere Facetten des Spiels ausgeglichen werden. Traditionell waren kleinere Colleges seltener von vorzeitigen Abgängen durch Draft-Anmeldungen oder Einstiege ins Profitum betroffen, waren somit eingespielter und überrumpelten jüngere Teams aus höheren Gefilden des NCAA-Hackordnung durch Teamplay.
Zwar starteten vier der neun ersten Rotationsspieler an anderen Colleges ihre Laufbahn, doch verglichen mit der Vorsaison kamen acht dieser Akteure zurück. Während andere erfolgreiche Colleges aus den Conferences mittlerer Spielstärker durch Transfers ihrer wichtigsten Spieler oft bei Null anfangen mussten, entwickelte sich bei den Owls hingegen eine verschworene Gemeinschaft mit einem großen Erfolgshunger, wie Trainer Dusty May in einem CBS-Artikel bemerkte.
Ein zweites Merkmal, das zunächst unter den Tisch fallen mag, für die Spielweise der Owls jedoch charakteristisch ist: Es gibt keine Forwards, also Spieler, die klassischerweise als „3“ oder „4“ bezeichnet werden würden. Stattdessen besteht die Rotation fast exklusiv aus Guards. Sieben der zehn Rotationsspieler 6’4“ (ca. 1,93m) oder kleiner. Vladislav Goldin – der zentrale Akteur des Teams, wie später noch deutlich werden soll – sticht als klassischer Center mit knapp 2,15m heraus. Seine Backups sind wiederum beides Small Ball Fünfer, die knapp die 2-Meter-Marke überschreiten.
Die Offense
Das Prunkstück der Erstplatzierten in der „Conference USA“ ist die eigene Offensive. Rein von den Statistiken her wird auf den ersten Blick schnell deutlich, dass FAU zu den besten Offensivteams der NCAA gehört. Vor den Spielen des 22. Februar 2023 rangiert FAU auf Platz 36 laut KenPom – der vermutlich vertrauenswürdigsten Metrik – hinsichtlich angepasstem Offensivrating.
Auffällig sind insbesondere die Shooting-Splits. Sowohl in Bezug und True-Shooting (57,2%), effektiver Feldwurfquote (54,3%) und dem Anteil von Dreierversuchen an Abschlüssen aus dem Feld (44,3%) befinden sich die Owls unter den Top40 aller 363 Division I Teams.
Herausragend ist insbesondere die Treffsicherheit von „Downtown“. Mit 9,7 erfolgreichen Dreiern pro Partie gehören die Eulen in dieser Hinsicht gar zu den Top15 der NCAA. Die Wurfqualitäten sind dabei breit über den ganzen Kader gestreut. Tendenziell können alle sieben Guards im Kader den Distanzwurf treffen.
Möchte man einen Makel suchen, dann liegt dieser am ehesten in der Anfälligkeit für Ballverluste. 15 Prozent aller Ballbesitze enden in einem Turnover. Damit gehören die Owls zwar immer noch zu dem Drittel der NCAA-Teams, die am seltensten Ballverluste proportional zu ihren Angriffen begehen (Rang 105). Doch im Vergleich zu den anderen Offensivkennwerten fallen die Owls hier ein wenig ab.
Die entscheidende Frage lautet: Wie kommen diese eindrucksvollen Werte zustande? Und die Antwort darauf ist gleichermaßen einfach wie vielschichtig: Dusty May und sein Coaching Staff verstehen es meisterhaft, die gegnerische Defense zu manipulieren und auf eine falsche Fährte zu locken. Dadurch erwischen sie Verteidiger immer wieder auf dem falschen Fuß und als Resultat entstehen offene Würfe und viele leichte Abschlüsse am Korb.
Die Owls sind sehr kreativ in ihren Setplays, verfügen aber auch feste Prinzipien und Automatics, die unabhängig vom konkreten Playcall immer angewandt werden und in der Regel auch funktionieren. Viele Elemente in der Spielweise der Owls stammen aus NBA oder europäischem Basketball. May und sein Stab haben daraus aber eine eigene Identität geformt und dem eigenen Personal angepasst.
Manipulieren der Defense I: P&R
Wenig überraschend bildet die Pick & Roll Offense den zentralen Baustein aller Offensivbemühungen. Da die Owls jederzeit vier Guards auf dem Court stehen haben, lauern somit auch immer vier potenzielle Ballhandler darauf, ihren Gegenspieler im Pick & Roll abzuschütteln und Paint Touches zu generieren.
Neben dieser Unberechenbarkeit in personeller Hinsicht manipulieren die Ballhandler allesamt jedoch auch die Defense auf geschickte Art und Weise. Wann immer möglich, versuchen die Ballhandler den Screen nicht zu nutzen. Das „Rejecten“ hat zwei Vorteile. Erstens erwischen sie damit ihren eigenen Verteidiger oft auf dem falschen Fuß, da dieser sich meist schon damit beschäftigt, um den Block herumzuschlängeln. Zweitens ist die Hilfe des Verteidigers des Blockstellers weniger effektiv und es entsteht häufiger eine Lücke zum Drive.
Darüber hinaus arbeiten die Owls auch mit trickreichen Variationen, was die Art und Weise des Blockstellens betrifft. So gehören Ghost-Screens zum Standardrepertoire. Zusätzlich ist bei Big Man Vlad Goldin immer wieder zu beobachten, dass dieser im letzten Moment den Screen „flippt“ – also den Screen nicht auf der eigentlich angedachten Körperseite des Verteidigers am Ball stellt, sondern sich dreht und stattdessen die andere Körperhälfte attackiert. Auch dadurch sind die beiden direkten involvierten Verteidiger meistens falsch positioniert und der direkte Weg zum Korb ist frei.
Zuletzt gehen die May und sein Staff noch einen Schritt weiter und manipulieren auch alle weiteren Verteidiger, die nicht unmittelbar in das Blocken-und-Abrollen involviert sind. Immer wieder erfolgt im letzten Moment noch ein Swing-Pass oder ein Cut, der dafür sorgt, dass die Verantwortlichkeiten bei der Help-Verteidigung unklar werden. Das wiederum führt zu Missverständnissen und Fehlern, die insbesondere dem abrollenden Goldin zu Gute kommen.
Überhaupt verdient der russische Big Man eine Extraerwähnung dafür, wie gut er als Roller Spielsituationen liest. Besonders aus Short Rolls hat er sich und seinen Körper hervorragend unter Kontrolle und kann alle Reads vornehmen, die in solchen Situationen entstehen: Er finisht gegen Kontakt ohne Offensivfoul, findet cuttende Mitspieler auf der Weakside und kann sogar mit Passfakes und anschließendem Dribbling selbst Freiräume kreieren und ausnutzen.
Manipulieren der Defense II: Lobs & Postups
Eine weitere Spezialität der FAU Offense besteht darin, ihren Big Man gezielt für hohe Lobanspiele in Position zu bringen. Insbesondere zu Beginn von Halbzeiten oder nach Auszeiten kommen die Owls meist mit trickreichen Plays zurück auf das Parkett. Dabei stellen sie sich die Defense so zurecht, dass kein Verteidiger auch nur ansatzweise nah genug ist, um ein Lobanspiel abzufangen.
Manipulieren der Defense III: Gortat-Seals
Während als Goldin selbst sowohl von Mitspielern als auch Coaches oft hervorragend in Szene gesetzt wird, revanchiert sich der Center, indem er exzellentes Spacing schafft. Was sich im ersten Moment wie ein Widerspruch liest, ist jedoch ein zentrales Werkzeug im Instrumentenkoffer der Owls: Ihr Centerspieler sorgt durch seine Präsenz in der Zone für besseres Spacing.
Wie das? Goldin ist so eine Präsenz, dass er seinen eigenen Gegenspieler, meist der größte Spieler des Gegners, bindet. Dadurch verschläft dieser entweder auf Anhieb seinen Einsatz als Helpside. Oder aber Goldin macht, was Marcin Gortat mehr oder weniger im US-Basketball etabliert hat: Er räumt seinen eigenen Gegenspieler mit Haken und Ösen aus dem Weg, sodass keine Gefahr von Shotblocking ausgeht. John Wall und Gortat haben dieses Two-Men-Game bei den Washington Wizards perfektioniert.
Topscorer von der Bank
Einen besonderen Luxus kann sich Coach May auch dadurch erlauben, dass er seinen Topscorer von der Bank bringt. Johnell Davis (13,3 PPG) ist Anführer der zweiten Fünf. Ein solches Manöver ist durchaus sinnvoll: Während viele Teams – gerade in der NCAA – eine kurze Rotation fahren, aus Angst, dass ab Position 7 oder 8 ein zu starker Qualitätsabfall erfolgt, geht May bewusst den Weg einer tiefen Rotation, die mit viel Energie spielt.
Davis ist in diesem Prinzip der Garant dafür, dass auch ohne die etablierten Starter genug Firepower in der Offensive vorhanden ist, um das hohe Niveau der ersten Fünf zu erhalten. Davis ist tendenziell der eine Spieler im Kader, der sich aus Isolations selbst einen guten Wurf kreieren kann.
Das könnte gerade in den K.O.-Spielen wichtig werden. Denn hier haben gegnerische Teams nur wenig Zeit, sich auf das facettenreiche Playbook der Owls einzustellen. Entsprechend ist zu erwarten, dass Teams viel switchen werden. Da hilft es, wenn Davis Mismatches im Eins-gegen-Eins bestraft.
Die Defense
Neben der höchst ansehnlichen Offensive der Owls ist die Verteidigung nicht zu vernachlässigen. Wie alle gefährlichen Mid-Majors finden auch die Owls eine gute Mischung aus hervorragender Offense und überdurchschnittlich guter Verteidigung. Nach der Metrik von KenPom ist FAU auch am anderen Ende des Courts ein Top50-Team. Zwei Charakteristika stechen dabei hervor: viele Switches und erneut Goldin als Anker der Verteidigung.
Switching
Angesichts der Lineup-Konstruktion machen die Owls genau das, was am sinnvollsten ist: sie switchen alle Aktionen auf den Position Eins bis Vier. Da ohnehin jederzeit vier Guards auf dem Parkett stehen, nehmen sich die Matchups tendenziell nicht viel.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Owls aggressiv und präventiv switchen. Sie möchten also Druck aufbauen, Passwege dichtmachen und nach Möglichkeit Plays schon im Keim ersticken. Damit sind sie auch oft erfolgreich, da sie viel miteinander kommunizieren und viele Spieler mit hohem Basketballverständnis im Kader haben. Aus ihren Steals schalten die Owls wiederum blitzschnell um, schaffen schnell exzellentes Spacing und haben meist innerhalb der ersten zehn Sekunden schon einen guten Abschluss.
Rimprotection
Wie im Angriff auch kommt Big Man Goldin eine Sonderstellung zu. Mit ihm auf dem Feld verfügen die Owls über einen soliden Rimprotector. Dabei muss Goldin noch nicht mal aktiv den Wurf blocken. Stattdessen verändert er das Abschlussverhalten des Gegners. Entweder nehmen diese schwierigere Abschlüsse in der Zone oder aber – und das ist die eigentliche Intention – sie nehmen lange Mitteldistanzwürfe. Die ineffizientesten Abschlüsse im Basketball. Solche sind die Owls gewillt abzugeben.
Cinderella?
Mitnichten! Das wäre fast schon eine Beleidigung gemessen an der exzellenten Saison, die FAU bis hierhin abgeliefert hat. FAU ist eher ein Biest, das sich selbst heraufgezüchtet hat, um im März den vermeintlichen Favoriten und großen Namen mehr als nur ein Bein zu stellen. Sie können diesen Teams allemal auf Augenhöhe begegnen und haben das Potenzial, das zweite Tournament-Wochenende zu erreichen.
Was muss dazu gelingen?
- 4,8 Fouls auf 40 Minuten hochgerechnet bekommt Goldin abgepfiffen. Nach schnellen zwei Fouls passiert es häufiger, dass er in der ersten Halbzeit kaum noch auf dem Court steht oder deutlich passiver agiert. Hier muss es dem Big gelingen, gut mit seinen Fouls hauszuhalten. Denn tatsächlich ist er in vielerlei Hinsicht der Schlüssel für die Owls Offense und Defense.
- Die Dreier müssen fallen. Das ist keine bahnbrechende Erkenntnis, weil in den allermeisten Fällen das Team mit der besseren Performance von der Dreierlinie gewinnt. Doch speziell für ein Team, das so sehr vom Dreier lebt wie die Owls, hat der Distanzwurf eine noch gehobenere Bedeutung.
- Problematisch könnten Gegner sein, die sehr viel Athletik und Länge mitbringen. Teams wie Arkansas oder TCU wären hier zu nennen. Diese Teams können einerseits viel switchen und damit Offensivbemühungen der Owls zum Erliegen bringen. Andererseits könnten die Owls ihrerseits Schwierigkeiten haben, die größeren Gegenspieler aus der Zone herauszuhalten.