BBL Playoffs ’22 HF: Bonn vs. München

Nach den beiden Auftaktsiegen der Bayern scheint Bonn nun einen gordischen Knoten lösen zu müssen. Zwischen den Zeilen lesen sich die Medienberichte so, als sei der Finaleinzug der Bayern nur noch eine Formsache und alles andere als der sechste Sweep in der sechsten BBL-Playoffrunde eine faustdicke Überraschung. Doch die Bonner haben durchaus noch Werkzeuge im Etui, um sich aus der Schlinge zu befreien.

Pace

Unabhängig von Offense oder Defense, Stärken oder Schwächen müssen die Bonner dafür sorgen, dass Spiel 3 und mögliche weitere Partien ein hohes Tempo erreichen. Bayern hat die erfahreneren Spieler, die über mehr individuelle Qualität verfügen, weniger offensichtliche Schwächen besitzen und andersherum gezielter gegnerische Schwächen gnadenlos bestrafen können.

Insofern ist für Bonn die Flucht nach vorn die einzige Möglichkeit, um diese Nachteile nicht nur zu kompensieren, sondern sich sogar eigene Vorteile zu schaffen. Je schneller das Tempo einer Partie ist, desto mehr Abschlüsse entstehen, was magere Wurfquoten oder höhere absolute Turnoverzahlen auf Bonner Seite durch eine höhere Anzahl an absoluten Abschlüssen egalisiert.

Zudem unterlaufen in schnellen und hektischen Spielsequenzen auch erfahrenen Spielern Fehler. Der Bonus der erfahrenen Münchner Spieler besteht darin, dass sie sich dieses Umstands bewusst sind, gezielt das Spieltempo drosseln und dann im Halbfeld ihren größeren Erfahrungsschatz ausspielen.

Somit dreht sich letzten Endes alles um die Frage: Wie kann Bonn das Tempo des Spiels erhöhen?

Defense

Postup Defense

Die körperliche Überlegenheit der Bayern wird speziell durch die vielen Postups der Bayern Offense offenkundig. PJC und Skyler Bowlin sind keinem Bayern-Spieler körperlich gewachsen und brauchen Hilfe. Zudem hat sich Deshaun Thomas bislang als wandelndes Mismatch erwiesen. Auch wenn seit College-Tagen bekannt ist, dass der Linkshänder nichts anderes möchte, als sich zu seiner starken Hand zu drehen, konnte er bislang nicht gestoppt werden.

Bonn hat bereits verschiedene Variationen in der Verteidigung probiert: Front, 1-1-Defense, angetäuschtes Doppeln, tatsächliches Doppeln. Bislang erwies sich keine Strategie als wirklich vielversprechend. Tatsächlich wird es an dieser Front auch weniger darum gehen, mit klugen taktischen Kniffen zu arbeiten. Stattdessen müssen alle Bonner bereit sein, ihr Bestes zu geben, physisch dagegen zu halten und insbesondere abseits des Balls wachsam für weitere Rotationen zu sein.

Im Endeffekt muss Bonn an anderer Stelle ansetzen und nach Möglichkeit verhindern, dass es überhaupt zu Postups kommt. Denn abgesehen von der mageren Aussicht auf einen Fehlwurf, ergeben sich aus Postups für die Bonner gleich mehrere weitere Probleme. Erstens verlangsamen sie das Spiel, was Bonn zu allererst verhindern muss. Zweitens rauben die Duelle am Korb Kräfte, die Bonn für das temporeiche Spiel braucht.

Rebounding

Drittens entstehen aus den Postups im besten Fall bislang Rotationen seitens aller Bonner Verteidiger, was dennoch in einem halbwegs offenen Wurf für die Bayern resultiert. Landet dieser nicht ohnehin im Korb, entsteht durch die Rotationen Konfusion bei der Zuordnung der Gegenspieler, was sich im Rebounding niederschlägt.

Immer wieder gab es in den ersten beiden Partien Sequenzen, in denen die Bayern sich gleich zwei oder drei Offensivrebounds sichern konnten. Ist die Bonner Defense erst mal unsortiert, hat sie kaum noch eine Chance, sich den ausgekochten Bayern zu erwehren. Dadurch kommen die Münchner einerseits zu Punkten aus zweiten Chancen und demoralisieren andererseits die Bonner, die teils 45 Sekunden am Stück verteidigen müssen.

Druck im Ballvortrag

Wie kann Bonn diese Probleme beheben? Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, mehr Druck auf den ballführenden Spieler auszuüben. Nick Weiler-Babb ist nach wie vor eher ein Point Forward, der unter Druck noch zu Panik und wilden Aktionen tendiert. Ähnliches gilt für Ognjen Jaramaz und Andi Obst, die beide eher Scorer bzw. Shooter sind.

Selbst wenn Zan Mark Sisiko wieder zurückkehren sollte, werden die Bonner diesen Weg gehen müssen. Zwar besteht die Gefahr, ins offene Messer zu laufen und viele einfache Punkte herzuschenken, sollten sie überlaufen werden, doch nur so lassen sich die Bayern zumindest phasenweise aus ihrem Trott bringen.

Teils fruchtete dieser Druck am Ball auch schon. Selbst wenn kein direkter Turnover entsteht, so neigen die unter Druck stehenden Spieler der Bayern dann doch zu überhasteten Abschlüssen bzw. eine organisierte Setoffense kommt nicht in Gange. Besonders Oleksandr Lypovy zeigte in Spiel 2 in dieser Hinsicht, wie Bonn den Ton setzen muss. Allerdings wäre er als Bewacher von Deshaun Thomas wahrscheinlich besser aufgehoben.

Die Bonner müssen nun insgesamt mehr Mut zum Risiko zeigen und öfter den Ballhandler attackieren.

Offense

PJC

Es wäre unfair gewesen, PJC an seinen Leistungen aus der Viertelfinal-Serie zu messen. Schließlich legte er eine historisch gute Serie hin – das sollte allen Beobachter*innen und Fans klar sein:

Dennoch muss PJC mehr zeigen, will Bonn eine halbwegs realistische Chance auf den Upset haben. Das bedeutet aber in erster Linie, dass sich PJC defensiv cleverer anstellen muss. Spätestens jetzt muss ihm klar sein, dass er ein Kreuz auf seinem Rücken stehen hat und gerade in der eigenen Verteidigung attackiert wird. Was ihm an Zentimetern mangelt, muss er jedoch durch Cleverness ausgleichen. Bisweilen schaltet er gedanklich für wenige Sekunden ab, was dazu führt, dass er in schlechter Position ist und Drives nicht mehr verhindern kann. Dass er sein Foulmanagement besser im Griff haben muss, sollte ohnehin klar sein.

Offensiv gelang es PJC – auch bedingt durch seine Foulprobleme – bislang nicht, einen Rhythmus zu entwickeln. Selten konnte er sich seiner Bewacher entledigen – speziell Dedovic erweist sich als schwieriges Matchup – und selbst wenn doch, kollabiert die Bayern-Defense sehr stark und gibt dem Liga-MVP kaum offene Abschlüsse.

Insofern ist PJC gut beraten, so oft es geht auf die Tube zu drücken. Gerade aus eigenen Einwürfen nach Bayern-Korberfolgen muss der Point Guard den Turbo starten und hoffen, die Bayern-Defense so zu überrumpeln, bevor sie sich richtig aufstellen konnte.

Insgesamt stellt sich ein wenig die Frage, ob es nicht am klügsten wäre, PJC mehr im Eins-gegen-Eins arbeiten zu lassen, anstatt ihn in Pick & Rolls zu involvieren und somit einen zweiten Verteidiger in seine Nähe zu bringen. PJC ist so schnell, dass er wahrscheinlich auf eigene Faust einfacher Lücken zieht, als wenn er auch noch einen zweiten Verteidiger umkurven muss.

Aus Auszeiten heraus hat Bonn bisher zudem sehr erfolgreich mit Decoy-Actions gearbeitet. Das sollten die Telekom Baskets weiter forcieren:

Hawkins

Neben PJC muss auch von Javontae Hawkins mehr kommen als in den ersten beiden Spielen. Seine Leistungen waren keineswegs schlecht – im Gegenteil: insgesamt lieferte die Nachverpflichtung gute Leistungen ab. Aber um gegen München zu bestehen, braucht Tumas Iisalo von seinem schweizer Taschenmesser konstantes Scoring.

Dabei würde es helfen, wenn Hawkins entschlossener den Weg zum Korb sucht, anstatt sich auf sein Midrange Game zu verlassen. Gleichwohl ist auch das ein Vabanquespiel, denn die Bayern sind auf Hawkins‘ Qualitäten eingestellt. Setzt Hawkins beispielsweise zum Eins-gegen-Eins gegen langsamere Gegenspieler an, stellen die Münchner eine 2-3-Zone auf, die einen Drive von Hawkins insofern riskant macht, als dieser nicht gerade für gutes Entscheidungsverhalten und Kickouts bekannt ist.

Auch hier bahnt sich also ein Tanz auf der Rasierklinge an. Am Ende muss Bonn jedoch bereit sein, ein gewisses Risiko zu fahren.

Early Offense

Doch unabhängig davon, ob PJC und Hawkins besser zu ihrem Spiel finden, müssen die Bonner insgesamt mehr Abschlüsse in der Early Offense generieren und sich hier weniger Fehler leisten. Karsten Tadda ging im zweiten Spiel voran und lieferte sein vielleicht bestes Bundesliga-Spiel ab. Backcourt-Kollegen wie Jeremy Morgan müssen dem guten Beispiel ihres Kapitäns folgen.

Fazit

Die Serie ist noch nicht vorbei. Klar, ist es schwer vorstellbar, dass sich die Bayern den Heimvorteil entgehen und die Serie nicht an diesem Wochenende beenden. Doch die Münchner sollten sich ihrer Sache nicht zu sicher sein. Für etwa sieben der acht bislang gespielten Viertel gilt, dass sich beide Teams eine Serie auf Augenhöhe liefern.

Bislang entschied der größere Erfahrungsschatz so wie die ausgeglichenere Kaderstruktur auf den ersten sieben bis acht Kaderplätzen der Rotation über den Ausgang der jeweiligen Partien. Aus Bonner Sicht muss viel zusammenkommen, um die Serie zu verlängern, ausgeschlossen ist es aber nicht. Besonders die Reaktion von PJC, die Antworten des Bonner Trainerstabs auf die zuvor dargestellten Schwachstellen aus den ersten beiden Spielen sowie das Spieltempo der Partie werden entscheidend sein.

Denkbar sind viele Szenarien: Von einer kontrollierten Bayern-Pace über verkrampfte Bonner zu überhasteten Bonnern bis schließlich hin zu druckbefreiten und frech aufspielenden Bonnern ist alles möglich. Dieser letzte Modus würde für Bonn tatsächlich die Chance auf die Überraschung wahren.

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