Strut Up: Saint Peter’s Elite Eight Run

Knapp zehn Tage lang war 15 Seed Saint Peter’s das Thema der March Madness. Die kleine rebellische Uni bezwang große Namen wie Kentucky und Purdue und stieß bis ins Elite Eight vor. Dieser historische Run verdient eine tiefergehende Rückschau.

Was und wer?

Saint Peter’s ist eine kleine Universität aus dem Bundesstaat New Jersey, an der knapp über 2.000 Studierende eingeschrieben sind, deren Sportteams als Maskottchen den Pfau haben und deren Basketballer in der „Run Baby Run Arena“ ihre Heimspiele austragen. Vor dem Start des NCAA Tournaments wusste ich selbst nur eine dieser vier Tatsachen.

Dass die Sieger des MAAC-Tournaments (nicht zu verwechseln mit der MAC) erstmals in der Geschichte des 68-Teilnehmerfeldes als 15 Seed das Elite Eight erreichen würden, hätte ich nicht für möglich gehalten. Doch in den Spielen gegen Kentucky, Murray State und Purdue gingen die Peacocks jeweils als verdienter Sieger vom Feld, da sie ihren Spielstil durchzusetzen wussten.

Es ist beileibe kein Zufall, dass dieser Spielstil so erfolgreich war und ist. Alle Cinderella-Teams des vergangenen Jahrzehnts einen einige Eckpunkte, die Saint Peter’s musterhaft vorgeführt hat und daher eine Sonderbetrachtung verdienen.

5 Gründe

1) Vielseitiger Big/Vierer

KC Ndefo

Ndefo ist Alltime Leader der Schulgeschichte in der Kategorie „geblockte Würfe“

Einer der großen Unterschiede zwischen den hochdekorierten Colleges und den Underdogs ist in aller Regel die physische und athletische Erscheinung der Spieler. Besonders auf den größeren Positionen verfügen die Titel-Contender in aller Regel über mehrere Spieler, die 2,05m oder noch deutlich größer sind. Da Spieler mit solch einer Körperhöhe und einem gewissen Maß an Bewegungs- und Spielgefühl selten sind, buhlen die großen Namen um ihre Gunst, während die kleinen Colleges leer ausgehen.

Doch spätestens seit „Small Ball“ auch in der NBA angekommen ist, sollte klar sein, dass der vermeintliche Größennachteil ganz schnell zum Vorteil umfunktioniert werden kann. Das haben viele Mid-Majors schon vor geraumer Zeit für sich entdeckt und entsprechend ist gerade die Position des „Vierers“ entscheidend: Kann der Underdog hier einen spielstarken und vielseitigen Akteur aufbieten, der einerseits physisch genug ist, um defensiv größere Gegenspieler müde zu arbeiten, und andererseits offensiv technisch gut genug ist, um für Spacing zu sorgen und langsamere Gegenspieler zu attackieren, steigen die Chancen auf einen Upset maßgeblich.

Für Saint Peter’s war KC Ndefo dieser Spieler. Defensiv ist der vielseitige Forward (10,5 PPG & 6,1 RPG) über jeden Zweifel erhaben. Gleich drei Mal gewann er die Auszeichnung zum besten Verteidiger seiner Conference. Trotz seiner vergleichsweise geringen Körpergröße von knapp über zwei Metern, kam er in der just abgelaufenen Saison auf etwa 2,8 geblockte Würfe pro Spiel. Timing, Entschlossenheit und Sprungkraft sind häufig dann doch entscheidender als Größe ganz allein.

Im Angriff ist Ndefo zwar nicht – wie sonst bei Cinderella-Teams üblich – als sicherer Dreierschütze (6/21 in der gesamten Saison) unterwegs. Doch dafür hat Ndefo andere Stärken, die dafür sorgen, dass er auch am Perimeter effektiv sein kann. Dadurch ist sein Bewacher gezwungen, weit weg vom Korb zu verteidigen, was das Spielfeld entzerrt. Zu diesen Qualitäten gehört ein guter Drive aus dem Faceup sowie gerne übersehene Qualitäten als Passgeber (2,4 APG; teamintern zweitbester Wert).

Trotz seines verbesserungswürdigen Foulmanagements in den vier Tournament-Spielen war Ndefo aufgrund seines Spielerprofils in der Lage, die Partien auf verschiedene Arten zu beeinflussen:

2) Guardplay

Eine zweite wesentliche Komponente, die Low- oder Mid-Major-Teams mitbringen müssen, wollen sie den Favoritenschreck spielen, ist gutes Guardplay. Auf den Außenpositionen fallen physische oder athletische Defizite weit weniger ins Gewicht, solange eine gute technische Grundausbildung, hohe Spielintelligenz und ein intelligentes Mannschaftskonzept als Kompensation dienen können. All das kann durch Coaching maßgeblich beeinflusst werden.

Die Peacocks hatten entsprechend zwar durchaus Größennachteile im Vergleich zu ihren direkten Konkurrenten auf den Guard-Positionen, waren ihnen jedoch technisch und spieltaktisch bisweilen überlegen.

Besonders zwei Akteuren kam hierbei jeweils eine Schlüsselrolle zu. Zum einen trifft dies auf Daryl Banks III zu. Der Topscorer des Teams (11,3 PPG) legte in der ersten Runde gegen Kentucky 27 Punkte auf und bewies, dass er neben einem guten Wurf (36,7% Dreierquote) auch über jede Menge Athletik verfügt. Als Scorer von der Bank übernahm Doug Egert (9,5 PPG; 41,1% Dreierquote) die Rolle der ersten Option, wenn Banks eine Pause brauchte.

Darryl Banks III (links) und Doug Edert (rechts) waren wichtige Go-to-Optionen im Angriff der Peacocks

Beide Guards verfügen über die Fähigkeit, aus indirekten Blöcken – speziell aus Flare-Screens – schnell in ihren Wurfrhythmus zu finden und zielsicher ihre Dreier zu versenken. Mit dieser Fähigkeit konnten sie nicht nur Punkte selbst fabrizieren, sondern waren elementar für die Pick & Roll Setups.

3) P&R Offense

Gute Individualisten sind das Eine, daraus ein funktionierendes Kollektiv zu formen, ist jedoch die viel schwierigere Aufgabe. Ein elementares Puzzlestück, das viel über die offensive Schlagkraft als Team bestimmt, ist das Spielvermögen im Pick & Roll. Hier zeigten sich die Peacocks auf sehr hohem Level und waren ihren Gegnern in den ersten drei Runden – vermutlich in entscheidendem Ausmaß – überlegen.

Decoys & Vorbereitung

Eine Möglichkeit, Pick & Rolls erfolgreich zu gestalten, besteht darin, die Defense vorher durch andere Aktionen aus der Balance zu bringen. Die Peacocks nutzten dafür besonders „Chin“-Sequenzen gerne: Vor dem eigentlichen direkten Block am Ball stellte der Screener oft einen indirekten Flare- bzw. Back-Screen.

Für die Peacocks war dieses Play auch deshalb so effektiv, weil Teams den ersten Screen ernstnehmen mussten. Gerade die angesprochenen Banks III und Edert waren durch ihr Shooting aus Flare-Screens oder im Falle von Banks III durch Alley-Oops immer eine potentielle Bedrohung für den Korb. Insofern musste der Verteidigers des Blocksteller zuerst hier helfen, was ihn im anschließenden Pick & Roll den entscheidenden Schritt zu spät ankommen ließ.

P&R als 5-Men-Game

Andrea Trinchieri zählt ohne Zweifel zu den brillantesten Denkern, die derzeit als Basketballcoach den Sport taktisch bereichern. Nach seiner Definition sind exzellente Offensivteams dazu in der Lage, das Pick & Roll mit fünf Spielern zu spielen.

Das ist für College-Teams sehr viel verlangt, aber bei den Peacocks waren zumindest alle fünf Spieler bereit, Verantwortung in Pick & Roll Situationen zu übernehmen. Die Point Guards waren in der Lage, den potentiellen Tag-Verteidiger des abrollenden Blockstellers zu identifizieren, ihn zu lesen und bisweilen sogar durch Lookaways zu manipulieren.

Auch den Blockstellern kam in den vielen Pick & Rolls eine bedeutsame Rolle zu, da sie oft als Passgeber entscheiden mussten, von wo die Hilfe kommt und welcher Mitspieler entsprechend freisteht.

4) Aktivität, Länge & Rimprotection in der Defense

Die Drame Twins Fousseyni und Hassan sind als vielseitige Verteidiger fundamental für Saint Peter’s gewesen

Um die unter 1) angesprochenen physischen Nachteile in der Verteidigung zu kaschieren, gibt es verschiedene Strategien. Den allermeisten davon ist jedoch gemein, dass ihre Intention darin liegt, einen Rollenwechsel vorzunehmen: Anstatt passiv auf das zu reagieren, was die Offensive probiert, möchten Underdogs wie Saint Peter’s durch ihre Defense zum Aggressor werden, der die Offense zu Abweichungen vom eigentlichen Plan zwingt.

Im Falle der Peacocks bedeutete das in den vergangenen Wochen vor allem, durch Aggressivität und Länge viele Deflections zu generieren, dadurch den offensiven Rhythmus des Gegners zu brechen und nach Möglichkeit Steals, Blocks oder Rebounds zu sammeln.

Neben dem bereits angesprochenen KC Ndefo waren aber auch die beiden malischen Zwillingsbrüder Fousseyni und Hassan Drame durch ihre Aktivität von unschätzbarem Wert für die Teamdefense. Als Nebenbemerkung: Den weiteren Weg der beiden zu verfolgen, wird sehr spannend sein. Denn beide haben ihr Potential bei weitem noch nicht voll ausgeschöpft und könnten durchaus in High-Major-Programmen landen.

Gegen Purdue – ein Team mit einem unglaublich tiefen und variantenreichen Playbook – schafften es die Peacocks gleich mehrere Male, die Boilermakers so sehr aus dem Konzept zu bringen, dass die Angriffszeit abgelaufen war, noch ehe eine koordinierte Angriffsbemühung zustande gekommen war.

5) Coaching

Shaheen Holloway

An der Seitenlinie lebt Shaheen Holloway vor, welche Intensität er auf dem Court sehen möchte

Um all diese Zutaten nicht zu einer ungenießbaren Plörre verkommen zu lassen, braucht es in letzter Instanz einen Gourmetkoch an der Seitenlinie, der Playbook und Anweisungen wie Kochbuch und Kochlöffel gekonnt seinen Spielern serviert. Shaheen Holloway hätte sich wohl mit seiner Leistung in den vergangenen Wochen den ersten Stern verdient.

Zu so einem Run gehört eine Menge Planung und Basisarbeit. Angefangen bei der Rekrutierung der richtigen Spieler über die Etablierung einer klaren Identität bis hin zum konsequenten Einfordern der notwendigen Intensität und Präzision bei der Umsetzung auf dem Court.

Während die ersten beiden Punkte nur erahnt werden können, bewies Holloway seine Beharrlichkeit alleine dadurch, dass er zu Beginn jeder Auszeit einzelne Spieler energisch zur Seite zog, um sie auf ihre individuelle Verantwortung hinzuweisen. In dieser Konstanz und Klarheit sprechen wenige Headcoaches mit ihren Spielern vor den eigentlichen Team-Huddles.

Aus taktischer Sicht ließen sich noch weitere Indizien anführen, die Holloways Talent für das Traineramt unterstreichen. Einerseits weist das Playbook die richtige Mischung aus Basics und kreativen Special-Plays auf. Andererseits war die Ausführung der Plays meist sehr exakt, was dafür spricht, dass Holloway viel Wert auf Details legt. Dennoch agierten die Peacocks keinesfalls roboterhaft, sondern waren selbst in der Lage – beispielsweise Pick & Rolls – korrekt zu lesen.

Und was bleibt?

Auf den ersten Blick scheinen besonders die Protagonisten des Teams von ihrem Run zu profitieren. Shaheen Holloway übernimmt ab kommender Saison das Traineramt seiner Alma Mater Seton Hall in der Big East. Das ist ein gewaltiger Sprung in Sachen Spielstärke und finanziellen Gegebenheiten. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich Holloway in den kommenden Jahren schlägt.

Von den Spielern sind viele ins Transfer-Portal eingestiegen und haben teils schon neue Mannschaften gefunden. Verständlich, schließlich hat dieser Erfolg sicherlich Lust auf mehr gemacht und eine erneute Teilnahme am NCAA Tournament wäre ohne Headcoach Holloway sicherlich kaum zu wiederholen gewesen. Es wäre allerdings nicht verwunderlich, wenn der eine oder andere Spieler in der kommenden Saison in einem neuen Dress wieder March Madness Atmosphäre schnuppern darf.

Für die Uni scheint bis auf den kurzen Moment des Ruhms nicht viel nachhaltiger Erfolg zu erwarten zu sein. Allerdings zeigte sich in der Vergangenheit immer mal wieder, dass die Unis von dem gestiegenen Bekanntheitsgrad profitieren und plötzlich einen starken Anstieg an Studienbewerbern verzeichnen, was ihnen möglicherweise Wachstumspotential eröffnet und somit doch auch mittelfristige Verbesserungen für die Sportteams bedeutet.

Auch wenn sich die Suche nach einem Nachfolger für Holloway hinzog, ist dieser nun auch gefunden. Ab kommender Saison ist Bashir Mason für die Geschicke der Peacocks verantwortlich. Er bringt trotz seines geringen Alters (38 Jahre) schon zehn Jahre Coaching-Erfahrung mit und ist durchaus ein interessantes Coaching-Talent.

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