Arizona im Aufwind

2021 war ein gutes Jahr für Basketballer*innen in Arizona: erst zog das Frauenteam der University of Arizona unter der Führung von Trainerin Adia Barnes und Spielmacherin Aari McDonald ins Finale der Collegemeisterschaft ein, dann taten ihnen es die Phoenix Suns in der NBA gleich und nun verzauberte auch noch das Männerteam der U of A die kritische und erfolgsverwöhnte Anhängerschaft in Tucson mit einem 11:0-Start in die Saison. Daran änderte auch die erste Saisonniederlage kurz vor Weihnachten in Tennessee nichts. Wie Tommy Lloyd und acht „Internationals“ den Grundstein für eine neue Ära legen:

Background

Es ist fast vier Jahre her, seitdem im Februar 2018 ein Leitartikel auf ESPN die Medienlandschaft des Collegesports in Aufruhr versetzte. Demnach sollte es Hinweise darauf geben, dass das FBI Tonaufnahmen von Sean Miller – damals Headcoach der Wildcats – besitzt. Auf denen soll zu hören sein, wie Miller in einem Gespräch mit dem Agenten Christian Dawkins eine Zahlung an die Familie Deandre Aytons – zu dem Zeitpunkt Star des Teams und Kandidat für den Top Pick des kommenden Drafts – bespricht. Das wäre der wohl schwerwiegendste bekannt gewordene Verstoß gegen die Recruiting-Regularien der NCAA gewesen.

Doch bis heute lassen die endgültigen Ergebnisse der FBI-Ermittlungen und des extra einberufenen „Ermittlungskomitees“ der NCAA auf sich warten. Wäre es nicht die NCAA, wäre das ein Skandal. Doch in dieser altbackenen Welt dreht sich die Zeit einfach langsamer. Seitdem stand Ayton bereits ein erstes Mal in den Finals, wir bewegen uns auf das dritte Pandemie-Jahr zu, der ehemalige Assistant Coach Book Richardson hat seine Haftstrafe bereits abgesessen und die weiteren involvierten Coaches Mark Phelps und Sean Miller sind nicht länger für Arizona tätig.

Miller wurde im März gefeuert – nach drei Jahren des Wartens und Ausharrens. In der Zwischenzeit war das Programm vom alljährlichen Final-Four-Contender zum marginalen Tournament -eilnehmer abgerutscht. Das lag vor allem daran, dass Millers Reputation nachhaltig beschädigt war, was ihm seiner Erfolgsgrundlage beraubte. Denn die Elite-Eight-Einzüge und 30-Siege-Saisons fußten vor allem auf seinem Geschick darin, 5-Star-Recruits an Land zu ziehen.

Spieler wie Aaron Gordon, Stanley Johnson oder eben Ayton gewinnen in der NCAA durch ihre physische Präsenz Spiele. In T.J. McConnell gelang Miller zudem ein absoluter Glücksgriff. Dazu kamen viele weitere talentierte Spieler, die auch längerfristig auf dem Campus blieben und mittlerweile in den europäischen Ligen unterwegs sind (Kaleb Tarczewski, Brandon Ashley, Rawle Alkins, Parker Jackson-Cartwright dürften hierunter die bekanntesten sein).

Die Starting Five der Wildcats im Jahr 2014 © Azstarnet.com

Miller war zum Schluss schlicht nicht mehr in der Lage, Talente dieses Levels nach Tucson zu lotsen. Zu sehr schwebte ein möglicher Ausschluss vom NCAA Tournament wie ein Damoklesschwert über dem Programm. Miller musste daher vor allem unterrekrutierte Spieler (Zeke Nnaji), Transfers und internationale Spieler zu sich lotsen. Doch auch das war am Ende nicht ausreichend. Arizona legte sich im vergangenen Winter kurzerhand selbst einen Postseason Ban auf und feuerte Miller, um zumindest in Teilen wieder Herr der Lage zu werden

Der Heilsbringer

Die Suche nach einem neuen Trainer wurde von vielerlei Seiten mit Spannung verfolgt. Arizona ist zwar kein „Blue Blood“ – also Teil des NCAA Adels mit größter Tradition – doch gehört zu den besten zehn bis 15 besten Jobs im College Basketball. Zugleich wabert(e) nach wie vor die Ungewissheit des ausbleibenden Urteilsspruch seitens der NCAA wie eine dunkle Wolke unheilvoll über dem Programm.

Ehemalige Alumni meldeten sich schnell zu Wort und forderten den Job „innerhalb der Familie“ zu vergeben – also einen Trainer mit Arizona-Vergangenheit zu verpflichten. Die Vorstellungen gingen dabei von sehr kühn (Steve Kerr, Luke Walton) bis sehr risikolastig (Damon Stoudamire, Jason Terry) weit auseinander. Besonders Terry, der bereits ein Jahr als Assistenztrainer unter Miller im Programm war, schien die favorisierte Wahl der Fan- und Absolventengemeinde zu sein. Doch das Wunschkonzert verstummte ungehört. Am Ende wurde es Tommy Lloyd – Bingo!

Tommy Lloyd bei seiner offiziellen Vorstellung als neuer Headcoach © AZCentral

Das war meine Reaktion, zusammen mit einem freudigen Lächeln. Und das hätte eigentlich auch die Reaktion der Fanbase sein können. Lloyd war die letzten 20 Jahre die rechte Hand von Mark Few und baute mit diesem zusammen Gonzaga als Power House und Titelanwärter Schritt für Schritt auf. Gerade in den ersten Jahren schlugen die beiden – auf Initiative von Lloyd – unbeschrittene Pfade ein. Sie rekrutierten Europäer und Spieler aus aller Welt. Beginnend mit Ronny Turiaf fanden dank Lloyd Spieler wie Elias Harris, Domantas Sabonis oder Rui Hachimura den Weg nach Spokane, sorgten für 1 Seeds im Tournament und die erste Final Four Teilnahme.

Domantas Sabonis zusammen mit Przemek Karnowski © Spox.com

In den letzten zwei, drei Jahren entwickelte sich das Programm noch einmal weiter und ist mittlerweile selbst für US-amerikanische Highschool-Talente der höchsten Güteklasse interessant, wie die Commitments von Jalen Suggs und Chet Holmgren unterstreichen. Mit dem letztjährigen Team wäre Gonzaga in vermutlich mehr als der Hälfte der Saisons des letzten Jahrzehnts als Meister hervorgegangen, hatte aber das Pech im Finale der geballten Firepower von Baylors Backcourt ausgeliefert zu sein.

Doch all das schien in Arizona wenig zu zählen und so begann Tommy Lloyds Amtszeit damit, Überzeugungsarbeit zu leisten – an allen Fronten. Kaum waren die Tränen auf den Wangen des sichtlich gerührten Lloyds bei seiner Antrittspressekonferenz versiegt, traf er sich mit Alumni, um ihnen seinen Plan aufzuzeigen, sie mit ins Boot zu holen. Er traf sich mit seinem Vorgänger Miller zum Essen und holte sich dessen Meinung zu Spielern und Umfeld ein. Und schließlich sprach er mit den Spielern selbst.

Multikulti beim Recruiting

Und hier wiederum betrat er vertrautes Terrain. Bereits im Vorjahr war der Kader der Wildcats mit internationalem Flair versehen. Der Litauer Azuolas Tubelis – Power Forward, Linkshänder und im Doppelpack mit seinem Zwillingsbruder Tautvilas in Tucson gelandet – war der Gewinner und Aufsteiger der Saison. Er erkämpfte sich während der Saison seinen Platz in der Starting Five und traf gegen Rivale Arizona State sogar den Gamewinner. Am Ende standen starke 12,2 Punkte und 7,1 Rebounds pro Spiel zu Buche. Der Este Kerr Kriisa – dessen Vater riesiger Steve Kerr Fan ist und entsprechend auch den Vornamen seines Sohnes wählte – hatte hingegen nur acht Spiele absolvieren und entsprechend weder seinen Spielwitz noch sein Feuer zeigen können.

Als größtes NBA-Talent hatte sich hingegen Bennedict Mathurin etablieren können. Der Kanadier mit haitianischen Wurzeln, der in der NBA Global Academy Mexico ausgebildet wurde, stand Ende April vor der Wahl zwischen der Anmeldung zum NBA Draft und einer Rückkehr für sein Sophomore Jahr. Der kamerunische Big Man Christian Koloko hatte hingegen gerade sein zweites Jahr abgeschlossen, sich weiterentwickeln können, aber so stark wie kein anderer den Bedingungen der Pandemie Tribut zollen müssen, da er den Sommer 2020 nicht auf dem Campus bleiben und an seinem Körper arbeiten durfte.

In dieser Aufreihung ist Dalen Terry schon fast der Exot. Der Arizona Native hatte bereits als Freshman durchaus wichtige Minuten gesehen, lieferte jedoch sehr schwankende Performances und verlor dadurch im Laufe der Saison zusehends sein Selbstvertrauen.

Alle dieser Jungs überzeugte Tommy Lloyd von seiner Spielidee und einem Verbleib in Tucson, womit er einen wichtigen Grundstein für seine weiteren Schritte legen konnte. Und die folgten sogleich. Aus Spokane brachte er direkt Oumar Ballo mit. Ein talentierter Malier, der mit seinem Heimatland bei der U19-Weltmeisterschaft 2019 die USA vor Probleme stellte und im Finale nur knapp unterlag. Nach einem Redshirt-Jahr und einer Freshman Saison mit geringen Spielanteilen sahen die Aussichten für den Big Man angesichts der Rückkehr von Player of the Year Kandidat Drew Timme und prognostiziertem Top3 Pick Chet Holmgren eher weiterhin limitiert aus. Somit ist der Wechsel für beide Seiten eine runde Sache.

Oumar Ballo beim Postup © Getty Images

Für die Flügelpositionen rekrutierte Lloyd wiederum zwei Europäer. Pelle Larson verbrachte bereits sein Freshman Jahr in der PAC-12 bei den Utah Utes. Dort ließ der Schwede sein offensives Potential bereits aufblitzen und gilt seines Zeichens als exzellenter Shooter (46,3 Prozent bei den Utes). Gleiches kann auch Adama Bal von sich behaupten. Allerdings ist der Franzose ein Mehrjahresprojekt. Spät im Jahr 2003 geboren, ist Bal einer der jüngsten Spieler der NCAA, strotzt aufgrund seiner Shooting Qualitäten und enormen Spannweite aber nur so vor Potential.

Ergänzt wird diese Ansammlung hochveranlagter Talente aus aller Welt von drei weiteren US-Amerikanern. Zum einen konnte Lloyd Shane Nowell, Bruder von Timberwolves Guard Jaylen, davon überzeugen, seinem ursprünglichen Commitment für die U of A treu zu bleiben – auch unter der Voraussetzung, als Freshman nicht Teil der Rotation zu sein. Anschließend ergänzte Lloyd den Kader mit erfahrenen Transfers: Justin Kier lief bereits drei Jahre für George Mason und zuletzt eine Saison für Georgia auf. Kim Aiken Jr. war bester der Verteidiger seiner Conference als Spieler der Eastern Washington Eagles.

Gerne vergessen, aber mindestens genauso wichtig, war die Zusammenstellung des Trainerstabs und auch hier bewies Lloyd viel Geschick und strategisches Handeln. Um Arizona Wurzeln im Staff zu haben, überzeugte Lloyd Jack Murphy als Associate Head Coach vom Verbleib. Zudem sind mit Jason Gardner und Ryan Anderson nicht nur zwei ehemalige BBL-Spieler, sondern in erster Linie Arizona Alumni Teil der Crew.

Auch seine Verbindungen zu Spezis aus Gonzaga Tagen nutzte Lloyd und verpflichtete Ken Nakagawa als Video-Koordinator, Rem Bakamus als Player Development Coach und Riccardo Fois als Assistenztrainer, dessen Erfahrung er aus NBA und Europa ebenfalls vor allem im Individualtraining nutzen wird. Königstransfer war jedoch die späte Ankunft von Steve Robinson, der Jahrzehnte unter Roy Williams in Kansas und North Carolina assistierte und dem Trainerstab damit sehr viel Erfahrung und Wissen mitgibt.

Steve Robinson neben Roy Williams © Joe Robbins/Getty Images

Auf dem Papier hatte Lloyd seine Hausaufgaben im Sommer also optimal gelöst und sowohl Kader als auch Staff lasen sich sinnvoll und einander ergänzend zusammengestellt. Doch Theorie und Praxis sind dann doch zwei unterschiedliche Dinge. Welche Zwischenbilanz lässt sich nach den ersten zwölf Partien ziehen?

Was ist neu?

Bei seinem ersten medialen Auftritt verkündete Tommy Lloyd die erste große Veränderung: Schnell sollte sein Spielstil werden und damit eine Trendwende einläuten. Sean Miller war auf gedrosseltes Tempo und Kontrollzwänge ausgerichtet. Mit Ausnahme seiner ersten Saison knackte keines von Millers Teams die Top100(!) der NCAA in adjusted Tempo nach KenPom. Und das trotz vorhandener NBA Athletik. Lloyds Wildcats liegen derzeit auf Rang 5(!) unter allen 358 Division Teams. Zudem verzeichnen die Wildcats laut KenPom mit knapp 14 Sekunden die zweitkürzeste, durchschnittliche Ballbesitzdauer pro Angriff.

Die Gründe für den Systemwechsel liegen auf der Hand und sind mannigfaltig. Ein höheres Tempo bedeutet meist ein attraktiveres Spiel zum Anschauen – ein nicht zu unterschätzendes Kalkül seitens Lloyd, der die zuletzt arg verprellte Fanbase wieder in Scharen ins McKale Center locken und es wieder in eine Festung verwandeln möchte. Zudem sprechen die Kadertiefe und -athletik für einen schnellen Spielstil.

Lloyd nutzt verschiede taktische Kniffe, um das Spieltempo zu forcieren. Dabei beginnt alles mit der Defense. Arizona nimmt plötzlich über das ganze Spielfeld die Gegenspieler auf.

Defense leading to Offense

Dass Pelle Larson die Sequenz mit einem Transition Dreier krönt und Arizona dadurch nach einem verschlafenen Start erstmals in dieser Begegnung gegen California Baptist die Führung übernimmt hat wiederum einen ganz eigenen Charakter. In den vergangenen Jahren wäre ein solcher Wurf eine Rarität gewesen. Selbst ein Shooter wie Larsson hätte erst nach kurzem Zögern abgedrückt und somit vermutlich seinen eigenen Wurf korrumpiert.

Nach Auszeiten und Freiwürfen streuen die Wildcats zudem Ganzfeldpressen ein – ähnlich wie Alba Berlin es unter Aíto und Israel González praktiziert. Damit überraschen sie regelmäßig ihre Kontrahenten und erarbeiten sich zum Teil innerhalb weniger Sekunden einfache Punkte oder zumindest den gegnerischen Ballverlust.

Zonenpresse nach Auszeit

Im Halbfeld lässt der Druck jedoch nicht nach, sondern wird im Gegenteil sogar noch erhöht. Sowohl auf den Ballhandler als auch in den Passwegen agieren alle fünf Verteidiger aggressiv. Statt klassischer Deny-Verteidigung und absinkender Packline Defense wie zu Miller-Zeiten überspielen die Wildcats seit dieser Saison ihre Gegenspieler und riskieren lieber Backdoor geschlagen zu werden, als einen einfachen Pass zuzulassen. Das ist auch insofern clever, da mit Koloko und Ballo zwei Ringbeschützer der Extraklasse zur Verfügung stehen. Nicht umsonst verpasst Arizona die Top10 in puncto Blockpercentage nur knapp (5,4 Prozent reichen für Platz elf).

Keine leichten Pässe im Halbfeld für Arizonas Gegner

Und selbst wenn die Wildcats Punkte kassieren, hängen sie diesem Missgeschick mit ihren Gedanken nicht lange hinterher, sondern werfen den Ball schnell ein, treiben den Ball mit einem schnellen Pass nach vorne und scoren dadurch teilweise selbst, noch ehe alle gegnerischen Verteidiger die Mittellinie überquert haben. Ein völlig neuer und absolut mitreißender Basketball, der Fans ebenso viel Freude bereitet wie den Athleten selbst:

7 Seconds or less

Garanten des Erfolgs

Von Lloyds neuer Spielphilosophie profitieren vor allem drei Akteure, die bislang die Garanten des erfolgreichen Saisonstarts waren:

1. Benn Mathurin

Der Kanadier wäre im letzten Draft vermutlich gegen Ende der ersten Runde gedraftet worden. Als Catch & Shoot Wing mit Athletik schien Mathurin eine klar definierte Rolle in der NBA bekleiden zu können und deutete durch seine starke Dreierquote (fast 42 Prozent) an, welch weiches Handgelenk er besitzt.

Doch Mathurin entschied sich für die Rückkehr nach Tucson. Und dürfte damit eine sehr kluge Wahl getroffen haben. Es wäre nicht verwunderlich, wenn der Sophomore im kommenden Draft unter den ersten zehn gezogenen Spielern landen würde. Denn Mathurin zeigt in seinem Spiel neue Facetten, die so vorher nicht ansatzweise vorhanden waren.

In Bezug auf sein Shooting hat sich Mathurin als Werfer aus der Bewegung verbessert. Das bedeutet zum einen, dass er deutlich häufiger aus ein oder zwei indirekten Blöcken geschossen kommt und ohne zu zögern abdrückt. Bei diesen Würfen zeigt Mathurin wiederum eine gute Balance und entsprechend ordentliche Quote. Zwar gerät er bei seinen offscreen Dreiern immer etwas in Rücklage, doch das kann er meist gut austarieren. Insgesamt hat sich seine Dreierquote auf knapp 38 Prozent verschlechtert – doch angesichts des erhöhten Schwierigkeitsgrads und eines fast doppelt so hohen Volumens wie im Vorjahr sollte der Verluste der vier Prozentpunkte zu verschmerzen sein.

Ein zweiter – noch viel überraschenderer Aspekt – ist sein neu entdecktes Playmaking aus dem Pick & Roll. Selbst zu Beginn der aktuellen Saison hatte Mathurin Schwierigkeiten, sich selbst oder seinen Teamkollegen Abschlüsse in der Setoffense zu kreieren. Mittlerweile schafft er es mehrmals pro Spiel aus dem Pick & Roll entweder durch einen guten Pass, eine schnelle Entscheidung oder sein verbessertes Ballhandling doch einen hochprozentigen Abschluss zu generieren. Allerdings liegt seine Assist-Turnover-Ratio – wie schon im Vorjahr ziemlich genau bei 1:1. Das ist noch steigerungsbedürftig, will er später in seiner Karriere als Playmaker in Erscheinung treten.

2. Christian Koloko

Der Kameruner wechselte als Teenager an eine kalifornische High School, entwickelte sich als Latebloomer – in physischer wie spielerischer Hinsicht – schnell weiter. Als Freshman konnte er bereits sein Potential andeuten und hätte als Sophomore sein Breakout Jahr feiern sollen. Doch die einsetzende Pandemie durchkreuzte die geschmiedeten Pläne des Coaching Staffs für den Big Man. Koloko durfte nicht mit Athletiktrainer Chris Rounds am eigenen Körper schuften und sich so die dringend benötigte Stabilität aneignen. Entsprechend konnte Koloko sich zwar durchaus als Sophomore steigern. Aber eben nicht im erhofften Maße.

Mit einem Jahr Verzögerung holt Koloko jedoch nun die verlorene Zeit in umso schnelleren Tempo nach. Wie kaum ein zweiter Spieler profitiert Koloko von der Ankunft Lloyds. Der Centerspieler ist prädestiniert für modernen Basketball mit hoher Pace. Trotz seiner Größe ist Koloko unglaublich mobil und sprintet wie eine Gazelle über den Court. Die Kombination aus Rimprotection, Rim-Running und Koordination bei Catch-&-Finish-Situationen macht ihn für NBA Teams interessant:

Rimprotection, gute Hände und schnelle Füße vereint Christian Koloko

Neben seiner ohnehin exzellenten Fähigkeiten als Ringbeschützer (eine Blockpercentage von 14,8 Prozent bedeutet NCAA-weit Rang 8) profitiert Koloko zudem von den zusätzlichen Kilos. Auch wenn er nach wie vor etwas schmächtig aussehen mag, ist er mittlerweile in der Lage, selbst Kolosse wie Illinois‘ Kofi Cockburn im Nahkampf in Schach zu halten. Das wäre vor wenigen Monaten noch unvorstellbar gewesen.

Gegen Koloss Kofi Cockburn gibt er Paroli

3. Azuolas Tubelis

Der Litauer war einer der wenigen Lichtblicke der Vorsaison. Ohnehin war ein wenig überraschend, dass sich der Lefty seine Startposition erst erarbeiten musste. Schließlich ist er es seit frühesten Tagen im Dress litauischer Jugendnationalmannschaften gewohnt, der Dreh- und Angelpunkt sowie Energizer des Teams zu sein. Peu á peu verfestigte Tubelis jedoch seinen Status als Starter und ist nun einer der Leader des Teams.

Neben seinem Scoring – das durch sein verbessertes Skillset gestiegen ist – liebt Tubelis es, sich in der Zone aufzureiben und seinen Gegenspielern unter die Haut zu gehen. Eine besondere Spezialität, die europäische Bigs früh lernen müssen, ist der Gortat-Seal, mittels dessen Tubelis den Guards in der Early Offense oder auch im Halbfeld immer wieder freie Bahn zum Korb und somit einfache Punkte ermöglicht. Zudem zieht er viele Fouls (5,7 auf 40 Minuten hochgerechnet), muss jedoch seinen Freiwurf weiter stabilisieren (66,7 Prozent).

Tubelis räumt seinen Mitspielern oft die Zone frei

Zugleich ist er mobil genug, in der Verteidigung am Perimeter zu verteidigen. So kann er einerseits das 1-4 Pick & Roll switchen oder aber auch aggressiv und hart im Passweg verteidigen, wodurch er wiederum Steals und einfache Fastbreakpunkte generiert.

Auch in der Defense ist er immer mit einer Hand am Ball

Die nächsten Schritte

1. Risiko ja, Leichtsinn nein

Mit dem erhöhten Tempo nimmt Lloyd naturgemäß und auch ganz bewusst, das Risiko einer höheren Fehlerquote in Kauf. Lloyd ist nämlich bereit, seinen Spielern Fehlern zuzugestehen, solange es sich dabei um die „richtigen“ Fehler handelt (sie also unter Tempo und in diffizilen Entscheidungssituationen entstehen) und seine Schützlinge daraus lernen.

Bisweilen müssen die Wildcats jedoch noch lernen, mit diesem Verantwortungsspielraum umzugehen. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Team laut KenPom um eines der unerfahrensten Teams handelt (Rang 355 von 358), das gerade noch dabei ist, sich an einen neuen Trainer, ein neues Spielsystem, einen halb veränderten Kader und ein interkulturellen Melting Pot zu gewöhnen, sollte diese Baustelle mit zunehmenden Saisonverlauf zu bewerkstelligen sein. Zumal der Coaching Staff hier ein besonderes Augenmerk drauflegt und viel Expertise aufweist.

2. Perimeter Defense

Wenn es an der Defense etwas zu beanstanden gibt, dann ist es auch hier, die teils überbordende Aggressivität. Zwar können sich die Perimeter in der Regel darauf verlassen, dass ihre Fehler durch die Bigs Koloko und Ballo ausgebügelt werden. Nichtsdestotrotz zeigten Guards wie Trent Frazier und Alfonso Plummer oder auch Kennedy Chandler die Schwachstelle in der Defense auf. Kerr Kriisa ist bei allem Enthusiasmus und offensiver Brillanz einfach nicht der schnellste auf den Beinen.

Es wäre allerdings unfair, nur Kriisa als Schwachstelle auszumachen. Auch und gerade die größeren Verteidiger, die vielleicht weniger Erfahrung und dafür noch mehr Übermut an den Tag legen, gehen teils zu stark auf Steals. Besonders Tubelis und Dalen Terry sollten sich hier angesprochen fühlen. Aber auch ein Mathurin hat noch viel Luft nach oben in der Eins-gegen-Eins-Verteidigung.

3. Startschwierigkeiten beheben

Zuletzt hatten die Wildcats immer wieder Probleme mit dem Start in die Partie. Das beanstandete bereits auch Tommy Lloyd gegen California Baptist und ergänzte, dass sich das Team so etwas gegen starke Competition nicht leisten dürfte.

Tatsächlich missglückte auch der Start in Tennessee vollkommen und war letzten Endes der ausschlaggebende Grund dafür, dass die Wildcats mit der ersten Saisonniederlage im Gepäck die Heimreise antreten mussten. Immerhin kämpften sich die Wildcats in der zweiten Halbzeit zurück in die Partie.

Und was heißt das alles?

Wenigen Coaches dürfte es im vergangenen Jahrzehnt so schnell geglückt sein, nach Antritt einer neuen Arbeitsstelle das Stimmungsbild der eigenen Fanbase so sehr um 180 Grad zu drehen, wie Tommy Lloyd es in den vergangenen neun Monaten demonstriert hat. Dieses Arizona Team ist „for real“.

Für die derzeitige Saison heißt das nun erst einmal, dass Arizona sich durchaus berechtigte Hoffnungen auf den lang ersehnten Einzug ins Final Four machen darf. Klare Topteams fehlen dieses Jahr in der NCAA bzw. die Dichte in der Spitze ist hoch und die Qualitätsunterschiede sind gering. In erster Linie gilt es nun, die gute Ausgangsbasis zu nutzen und weiter an den Problemstellen zu arbeiten – denn davon gibt es bei aller Euphorie genug. Ob es dann tatsächlich mit der Teilnahme am Finalwochenende klappt, hängt immer von vielen Faktoren und der Form zum entsprechenden Saisonzeitpunkt ab.

Daran sollte der Erfolg der Saison allerdings nicht gemessen werden. Denn viel entscheidender ist, dass es Lloyd bereits jetzt gelungen ist, neue Begeisterung für das und im Programm zu entfachen. Gerade angesichts der nach wie vor unklaren Gemengelage rund um das NCAA-Urteil, hat Lloyd nun schlagkräftige Argumente zur Hand, um talentierte Basketballer nach Tucson zu lotsen – nicht, dass das angesichts seiner Recruiting-Qualitäten je in Frage gestanden hätte. Doch Bilder und Resultate überzeugen schlicht mehr als warme Worte.

Somit sollte Arizona auch über die derzeitige Saison hinaus einer rosigen Zukunft entgegenblicken. Bleibt nur noch die Frage, wann Mark Few mit Gonzaga und Tommy Lloyd mit Arizona sich das erste Mal als Kontrahenten gegenüberstehen – und in welchem Setting. Das würden die beiden sicherlich gerne so lange wie möglich hinauszögern…

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