Zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte gelang Dresden im vergangenen Sommer dank der ProB-Meisterschaft der Aufstieg in die zweite Liga. Nach etwa der Hälfte der Saison stehen die Titans auf einem Playoffplatz und hätten sogar Heimrecht in der ersten Runde.
Und das vollkommen zurecht. Der jüngste Trainer der Liga hat am Standort eine Spielkultur etabliert, die stark an die Vorgehensweise einer anderen sächsischen Erfolgsgeschichte in Chemnitz erinnert.
Eingespielter Kern
Der Aufstieg der Titans kam nicht von heute auf morgen zustande, sondern war Resultat eines längeren Planungsprozesses. Trainer Fabian Strauß steht mittlerweile in seiner vierten Saison als Headcoach an der Seitenlinie.
Daran anschließend wurden gezielt deutsche Akteure rekrutiert, die einerseits hohes ProB-Niveau oder -Potenzial zum Zeitpunkt ihrer Verpflichtung besaßen. Andererseits hatten und haben viele dieser Spieler aber auch eine ProA-Perspektive.
Insofern verwundert es nicht, dass der harte Kern der Aufstiegsmannschaft gehalten und nur punktuell verstärkt wurde. Spieler wie Sebastian Heck, Georg Voigtmann und Tanner Graham bewiesen im bisherigen Saisonverlauf bereits ihre Qualität.
Besonders hervorzuheben ist vielleicht Daniel Kirchner. Der athletische und schnelle Guard kommt aus der ALBA Jugend und hat sich von Saison zu Saison weiterentwickelt. Einst eher ein Scorer auf der 2, ist er mittlerweile auch in der Liga, das Spiel zu organisieren und zu lenken.
13,3 Punkte pro Spiel, 3,9 Assists im Schnitt und eine Dreierquote von über 40 Prozent sind beeindruckende Werte für einen 25-Jährigen in seiner ersten ProA-Saison. Insbesondere in den letzten beiden Spielen gegen Münster und Bremerhaven stand Kirchner fast die gesamte Partie auf dem Feld und sorgte in der Crunchtime für entscheidende Plays.
Neuzugänge mit Ligaerfahrung
Diesem eingespielten Kern wurden einige wenige Verstärkungen sinnvoll hinzugefügt. Allen voran Chase Adams war eine interessante Verpflichtung, da sie zumindest im ersten Moment eher Verblüffung – zumindest bei mir – hervorgerufen hat.
Der mittlerweile 34-Jährige ist ein klein gewachsener Guard, der in seinen vielen Spielzeiten in der ProA in erster Linie durch sein Scoring bei überschaubaren Quoten, aber weniger durch seine Spielorganisation auffiel. Zudem war er in der Saison zuvor vereinslos, was angesichts des fortgeschrittenen Alters für einen Profi nicht unbedingt risikolos ist.
Doch spätestens mit seinem Gamewinner beim Overtime-Thriller gegen Münster hat sich die Verpflichtung von Adams bereits rentiert. Genau für solche Momente ist der Scorer dann eben doch wie gemacht und schreckt nicht vor der Verantwortung eines spielentscheidenden Wurfes zurück.
Neben Adams lotsten die Verantwortlichen in Dresden mit Lucien Schmikale einen weiteren deutschen Spieler gen Osten, der bereits einige Jahre Erfahrungen in der ProA sammeln konnte. Mit mehr als 13 Punkten pro Spiel ist er zweitbester Schütze des Kaders in der laufenden Saison.
Skill Ball
Dass die Kaderplanung einem stringenten und durchdachten Konzept folgt, macht sich auch auf dem Court bemerkbar. Dresden spielt vermutlich den „modernsten“ Basketball der Liga. Positionen sind zweitrangig und die Grenzen verschwimmen. Dazu stehen der Dreier und exzellentes Spacing hoch im Kurs.
Gemäß dieser Prinzipien wird im Angriff der Ball viel bewegt, stets der Extrapass gespielt und meistens immer ein offener und hochprozentiger Wurf generiert. 10,7 Dreier treffen die Titans pro Spiel und legen dabei eine Erfolgsquote von fast 39 Prozent auf. Beides sind ligaweite Topwerte.
Immer wieder schaffen es die Aufsteiger, sich gute Würfe zu erspielen. Schnelle Ballbewegung, viele Cuts abseits des Balls und hohes Spielverständnis sind dafür die Grundlage. Meist generieren die Titans schon aus ihrer Early Offense hochprozentige Abschlüsse:
Außerdem schaffen sie es, Mismatches schnell zu identifizieren und gekonnt auszunutzen. Das bedeutet nicht nur, dass die Sachsen den Ball zu dem entsprechenden Mitspieler mit Vorteil bringen. Vielmehr greifen sie auch auf so gefestigte Automatismen zurück, dass der bevorteilte Spieler direkt ins Eins-gegen-Eins gehen oder eine klare Hilfe binden kann. Früher oder später resultiert daraus ein guter Abschluss.
Gleichzeitig ist das Spiel der Titans nicht immer frei von Risiken und an mancherlei Stelle macht sich doch die relative Unerfahrenheit der Aufsteiger bemerkbar. Sowohl in der herkömmlichen Turnoverstatistik pro Spiel (16,4 TPG, Rang 18) als auch anhand von Advanced Stats (18,5 TO%, Platz 16) lässt sich die fehleranfällige Spielweise erahnen
Personifiziert wird die flexible Spielweise von Georg Voigtmann, der im Dezember zunächst einige Spiele verpasste und dann bis zum Spiel gegen Münster brauchte, um wieder richtig in Tritt zu kommen.
Doch ausgerechnet im Duell mit dem nominell besten Center der Liga, Andreas Seiferth, legte Voigtmann eine Galavorstellung hin. 26 Punkte, 6 Rebounds und 5 Assists. Dazu 4 Blocks und 5 getroffene Dreier – solch eine vielseitige Statline legen die wenigsten Bigs der Liga auf.
Mit seiner Beweglichkeit, seinen Ballhandling-Skills und seinen Passfertigkeiten ließ er nicht nur seinen Center-Duellanten das eine oder andere Mal schlecht aussehen, sondern fand auch immer wieder Lücken gegen die Münsteraner Defense. Ein fitter Voigtmann verändert für Dresden das ganze Spiel.
Eine besondere Erwähnung verdient außerdem Tanner Graham. In seinem zweiten Jahr in Dresden ist der Kanadier eine weitere Schlüsselfigur, die das Spielsystem der Dresdener erst ermöglicht.
Für Skill Ball ist gerade die Position Vier in der Regel die Schlüsselposition, da hier ein Tweener viele Fertigkeiten mitbringen muss, um gutes Spacing und eine variable Spielweise zu vereinfachen. Graham hat genau das nötige Anforderungsprofil.
Im bisherigen Saisonverlauf trifft der manchmal unscheinbar wirkende Power Forward sagenhafte 46,6 Prozent seiner Dreier. Doch immer wieder beweist er auch, dass er mehr als nur ein eindimensionaler Shooter ist: Er kann Closeouts attackieren, mit Handoff-Fakes die Defense auf dem falschen Fuß erwischen und als Passgeber seine Mitspieler in Szene setzen.
Kein Big, kein Problem?
Nach dem vorzeitigen Abgang von Aaron Menzies, der sein stattliches Gardemaß von 2,21m in immerhin sieben Ligaspielen präsentierte, ist Dresden ohne traditionellen Big Man unterwegs. Offensiv hat dieser Verlust der Spielweise keinen Abbruch getan. Und auch defensiv schlugen sich die Titans in den vergangenen eineinhalb Monaten – selbst ohne Voigtmann beachtlich.
Das lag vor allem an Sebastian Heck. Knapp zwei Meter groß wurde der ehemalige Jugend-Nationalspieler in den vergangenen Jahren peu à peu zum Small Ball Fünfer umfunktioniert. Hatte er als Wing Probleme aufgrund seines inkonstanten Wurfes, ist er als Big im Short Roll eine gefährliche Waffe dank seiner Playmaking-Qualitäten.
Zudem ist er aber eben vor allem in der Defensive in der Lage, durchaus auch Bigs in Schach zu halten und fehlende Zentimeter bestmöglich durch Intensität und Cleverness auszugleichen.
Dennoch wird es auf Dauer zum Problem, wenn Dresden ohne Fünfer mit Gardemaß und entsprechenden Kilos auf den Rippen spielen muss. Gerade gegen Münster, die wahrscheinlich das interessanteste Frontcourt-Duo der Liga haben, hatten die Titans größte Mühe, Layups zu verhindern und Rebounds einzusammeln.
Insofern darf man gespannt sein, ob Dresden durch die jüngst getätigte Nachverpflichtung von Jabari Narcis nicht doch nochmal ein erhebliches Stück an Flexibilität zulegt und nun auch für dominante Innenspieler eine dauerhafte Lösung parat hat.
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