Zenit vs. Bayern: Von Fokus und Findungsprozess

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Nach vier Spieltagen stehen die Bayern noch sieglos in der Euroleague da und aufgrund der gewachsenen Erwartungshaltung nach dem Playoffeinzug in der Vorsaison schon jetzt unter Druck. Woran hapert es momentan? Eine Kurzanalyse anhand des Spiels in St. Petersburg.

Eine alte Trainerweisheit lautet: „Man kann kein Spiel zu Beginn einer Partie gewinnen; man kann ein Spiel aber sehr wohl zu Beginn einer Partie verlieren.“ Was so kryptisch anmutet, soll schlicht ausdrücken, dass es Kraft und Nerven kostet, ein ganzes Spiel lang einem Rückstand hinterher zu laufen.

Auch wenn die Bayern in der letzten Saison immer wieder starke Qualitäten als Comebacker bewiesen, sollte genau dieser Fehler weder Team noch Außenwelt widerfahren: Das letztjährige Team hat mit dem diesjährigen Team wenig gemein. Entsprechend muss das diesjährige Team gerade zu Beginn der Saison – solange Spielkultur und Rollenverteilung noch nicht etabliert sind – noch drastischer die Fehlerzahl reduzieren und mit Fokus agieren.

Kein Fokus im ersten Viertel

Genau das misslang den Bayern im ersten Viertel am Donnerstagabend. Eigentlich sollten hier die Vorgaben aus der Spielvorbereitung noch frisch in den Köpfen der Spieler sein. Doch diese schienen nicht bereit zu sein, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Drei Mal in Folge lief Zenit das nachfolgende Set: Horns-Aufstellung, ein indirekter Block, zwei Handoffs und ein Pick & Roll – nichts Hochkomplexes. Doch drei Mal konnten die Bayern den Korberfolg nicht verhindern:

Im ersten Anlauf versucht der FCBB das P&R „flat“ zu verteidigen – also durch das Absinken des Bigs Hunter – doch Jaramaz, der Hunters abrollenden Gegenspieler bumpen müsste, ist zu spät und zu unentschlossen. Gudaitis bekommt zwei einfache Punkte geschenkt.

Beim zweiten Mal ändern die Bayern nichts an ihrer Verteidigungsvariante. Da dieses Mal Mateusz Ponitka im Rücken des P&R liftet, macht Verteidiger Nihad Đedović gar keine Anstalten beim Abrollen des Blockstellers zu helfen. Hunter hat jedoch zu große Angst vor dem Midrange Jumper von Ballhandler Loyd, fällt auf sein kurzes Zucken rein und erneut bedankt sich Gudaitis.

Beim dritten Mal möchten die Bayern das P&R dadurch stören, das vorher der letzte Handoff geswitcht wird, um dem Ballhandler gar nicht so eine tiefe Penetration zu erlauben und Hunter zu entlasten. Doch scheinbar hat nur Walden die Idee, während Đedović zu spät reagiert und einen offenen Dreier von Loyd abgibt. Sieben Punkte in wenigen Minuten durch das gleiche Play – das dürfen sich die Bayern in der derzeitigen Verfassung nicht erlauben und zeugt von mangelndem Fokus.

Individuelle Schwächen

In ähnlicher Manier gelang es Xavi Pascual eine zweite Problemzone der Bayern – neben mangelndem Fokus – zu attackieren: mäßige Individualverteidiger. Besonders Deshaun Thomas ist seit Collegetagen dafür bekannt, offensiv eine Bereicherung darzustellen, defensiv aber im Teamverbund versteckt werden zu müssen. Das gelingt Bayern bislang noch nicht.

Zenit wiederum nutzte mehrfach einen einfachen Crossscreen für den blendend aufgelegten Jordan Mickey (15 Zähler nach dem ersten Viertel), um das Eins-gegen-Eins der beiden Power Forwards zu suchen.

In dieser zweiten Szene ist es zwar nicht Thomas‘ persönlicher Fehler, sondern schlicht ein Missverständnis, da Walden nach dem Switch per sogenanntem Scram Switch den abrollenden Gudaitis weitergeben möchte – doch es ist nicht klar, an wen: sowohl Thomas als auch Weiler-Babb rotieren. Letzterer sucht irritiert den freistehenden Angreifer und merkt zu spät, dass es sein eigener Gegenspieler ist. Conner Frankamp bestraft es mit seiner Paradedisziplin von der Dreierlinie.

Letztlich resultiert aber auch dieses Missverständnis aus zwei Gründen. Erstens passiert so etwas gerade zu Saisonbeginn häufiger. Zweitens ist hier jedoch auch zu erkennen, dass möglicherweise Weiler-Babb überreagiert, da er weder Walden noch Thomas eine gute Defense gegen Gudaitis zutraut.

Im dritten Anlauf ist es wiederum ein einfacher Midrange Jumper für Mickey. Erneut: drei Mal das gleiche Play, das in sieben einfachen Punkten mündet – 14 insgesamt nach nicht mal einem Viertel.

Zum Vergleich zeigt Othello Hunter wenig später im zweiten Viertel, wie es besser geht und verhindert nicht nur das Anspiel zu Mickey, sondern stibitzt sich das optimistische Anspiel direkt.

Switchen! Aber wie?

In der Schlussphase gingen die Bayern zu Altbewährtem zurück: dem Switchen aller direkten Blöcke. Hierbei zeigte sich jedoch erneut, dass das diesjährige Team damit erst noch umzugehen lernen muss.

Klar ist definitiv, dass besonders Thomas im Eins-gegen-Eins gegen schnelle Guards am Perimeter zu langsam und unbeweglich ist. Das wusste Billy Baron das eine oder andere Mal auszunutzen.

Eine bewährte Taktik, die viele Teams dagegen erfolgreich anwenden, und auch von Bayern zum Teil versucht wurde, ist die Variante, dass alle anderen vier Verteidiger sich soweit von ihrem Gegenspieler entfernen und eine Art Box bilden, dass de facto eine 3-2-Zone entsteht. Besonders auf die Hilfe an den Elbows ist Thomas angewiesen. Und München hatte damit auch durchaus Erfolg:

Fazit

Solange Vladimir Lučić nicht zurückkehrt, müssen die Bayern vor allem defensiv eine Schippe drauflegen. Das bedeutet: mit mehr Fokus und von Beginn an verteidigen, um die Anzahl einfacher Punkte des Gegners zu minimieren. Nichts ist demotivierender, als dem Gegenüber ständig beim Bejubeln leichter Körbe zuzusehen, während im eigenen Offensivspiel noch Sand im Getriebe knirscht. Da die Saison noch lang ist und das Team gerade offensiv über viel Potential verfügt, wäre jede Art von Panikmodus im Münchener Lager jedoch verfrüht.

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